Sudetendeutsche Hütten

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Müllerhütte 3145 m

„Die Schönheit des Uebelthalferners, die Grossartigkeit seines gewaltigen Spitzenkranzes und seine prachtvolle Entwicklung sind längst bekannt.“

So beginnt Prof. Carl Müller Schriftführer und Bibliothekar der Sektion Teplitz seinen Beitrag in den Mitteilungen des DuÖAV 1891. Er kennt den Ferner durch häufige Besuche gut, so kam ihm bereits vor zwei Jahren die Idee am Pfaffennieder einen „Unterschlupf“ zu bauen, der im Falle eines Unwetters oder eines Unglückes von ganz unschätzbarer Bedeutung sein würde.
Je länger er aber plant, desto mehr verlangt die große Bedeutung einer Hütte an diesem zentralen Ort eine komplette Einrichtung. So wird aus einem „Unterschlupf“ eine wirkliche Hütte. Müller ist überzeugt, dass ein Hüttenbau in solchen Höhen Neuerungen erfahren muss, um allen Witterungseinflüssen zu widerstehen. So ensteht ein Bau mit außergewöhnlichen Ideen und Materialien. In der Literatur ist keine weitere Hütte in diesem Baustil bekannt, daher soll Müller hier die Möglichkeit erhalten, seine Hütte und deren Einrichtung näher zu beschreiben.

Müllerhütte Ende des 19. Jahrhunderts
Müllerhütte 1892                                                  Foto: S. Teplitz

(aus Mitteilungsblatt des DuÖAV 1891 Seite 216ff)
„Dieselbe wird 4 Meter lang, 2*50 Meter breit, bei einer Wandhöhe von 2*25 Meter und einer Dachhöhe von 1 Meter. Die Oberdecke ist weggelassen, da der Oberboden bei so geringer Höhe ohnehin zu nichts zu gebrauchen wäre und durch das Weglassen der Decke der kleine Wohnraum vergrössert, das Material und die Mühe der Beischaffung aber verkleinert wird. Nur an der nördlichen Stirnseite, über dem Ofen, laufen zwei Bretter quer durch die Hütte und bilden das Holzlager. Das Gerüst des ganzen Baues besteht aus 15 Centimeter starken Balken, welche durch zahlreiche Verspreizungen möglichst gegen Druck und Drehung gesichert sind. Aussen ist dasselbe mit 5 4-zölligen, ungehobelten, aber verfugten Brettern verschlagen, über

welche an Dach und Seiten ein starker, wasserdichter, lederartiger Stoff (Dachleinen von Müller & Comp. in Prag) derart festgenagelt ist, dass ein Eindringen des Thauwassers ausgeschlossen ist. Der Stoff widersteht nach allen Versuchen und Erkundigungen grosser Kälte und Hitze sehr gut, lässt die imprägnirte Masse nicht abtropfen und wurde nach dem Aufziehen mit dieser Masse nochmals überstrichen, um alle Ritzen, die vielleicht entstanden sind, zu verschliessen und das Eindringen des Wassers in diese Spalten zu verhindern.
 
Müllerhütte und Erzherzog-Karl-Franz-Josef-Schutzhaus
1908 mit dem neuen Schutzhaus                      Foto: S. Teplitz
in der Mitte das Zuckerhütl

Am 1.August 1891 wird die Hüte eröffnet, und Ende September besucht sie Prof. Dr. Emil Pott aus München, um sie eingehend zu testen, und darüber zu schreiben.

"Obgleich am 26. September das Thermometer nachmittags im Schatten auf dem Nullpunkte stand, war die Hütte in wenigen Minuten warm geheizt — von Feuchtigkeit war nicht die geringste Spur zu merken — und geradezu staunenswerth ist es, wie die Hütte die Wärme hält. Wir hatten abends 7 h das letzte Feuer angemacht, um uns eine Abendsuppe zu kochen, hatten die Hüttenthür meist offen gelassen, weil es uns eher zu warm als zu kalt war, und als wir uns am Morgen des 27. September um 5 h früh vom Lager erhoben, war es in der Hütte noch ganz warm, so dass wir unseren
Morgenthee nicht mit Zuhilfenahme des Herdes, sondern mittelst des in der Hütte vorhandenen Spiritusschnellsieders bereiteten. Noch ebenso warm und behaglich war es in der Hütte, als wir um 8 h 15 m morgens von unserer Besteigung der Sonklarspitze zurückkehrten. Abgesehen von ihrer vielleicht zu geringen Geräumigkeit könnte somit die Müllerhütte — wenn sie sich auch als dauerhaft bewährt — bedingungsweise als mustergültig bezeichnet werden.

Zu bemängeln ist nur — und der verdienstvolle Erbauer Herr Prof. Müller wird mir das verzeihen — dass die als Bettdecken dienenden, mit rothem Tuch gefütterten Schaffelle zu schmal sind und dass die Fenster nicht geöffnet werden können. Die Ventilation der Hütte scheint mir nämlich zu wünschen übrig zu lassen. Wenn man in der Hütte kocht, verschlechtert sich die Luft alsbald in merklicher Weise. Der Beleg der Hüttenwände — wenigstens der äussere — scheint völlig luftdicht zu sein, daher auch die gute Wärmehaltung, die freilich noch dadurch begünstigt wird, dass zwischen der Holzverschalung der Hüttenwände sich ein Hohlraum befindet. Die Anbringung einer Ventilationsklappe halte ich nicht für angezeigt; aber die Fenster sollten nicht verschlossen, sondern wenigstens theilweise zu öffnen sein, um frische Luft einlassen zu können, was nämlich durch die vor dem Ofen befindliche Thür nicht immer gut ausführbar zu sein scheint, da der kleine Ofen bei Nordwind, besonders wenn man die Thür öffnet, raucht."
(Aus Mitteilungen des DuÖAV 1891)

Bei Nebel
Erster Aufstieg 2014 bei Nebel, daher Wiederholung
2016 bei Sonne
                           Foto: Th. Most 2014

 


Die kleine unbewirtschaftete Hütte, war gleich ein derart beliebtes Ziel, dass sie bereits 1892 auf 14 Schlafplätze vergrößert wurde. 1894 kaufte die Sektion Teplitz von Carl Müller die Hütte um rund 1.400 Kronen. Am 18. August im gleichen Jahr wird das Becherhaus eingeweiht und bekommt den Namen "Kaiserin-Elisabeth-Schutzhaus".
1902 wird die Außenhaut mit einer neuen wasserdichten Leinwand überzogen, um die allmähliche Zersetzung der verwendeten Korkplatten aufzuhalten.
1904 entschied sich die Sektion für einen Neubau mit acht bis zwölf Schlafgelegenheiten, änderte aber bald auf Anraten einiger bekannter Alpinisten ihre Pläne auf einen Bau eines bewirtschafteten Schutzhauses mit rund 30 Schlafplätzen. Wegen langwieriger Pachtverhandlungen konnte erst 1906 die Diskussion über den Neubau fortgeführt werden.

bei Nebel
Timmels Alm                                       Foto: Th. Most 2016
erster Blick
Auf dem Übeltalferner            Foto: Michael Tschöll 2016

Der Teplitzer Architekt Seiche wurde mit der Planung beauftragt, Erzherzog Karl Franz Josef als Protektor für die Hütte gewonnen.

Die Leitmeritzerhütte in den Lienzer Dolomiten wurde um den Betrag von K. 1000.— der neu entstandenen S. Karlsbad überlassen und der Betrag dem Baufonde für den Neubau zugewiesen. Im Frühjahr 1907 konnte schließlich der Bauvertrag mit Baumeister Vinzenz Moser, Sterzing abgeschlossen werden. Der Bau des Hauses wird 1907/1908 ausgeführt werden. Es ist ein einstöckiges Gebäude geplant, das im Erdgeschosse außer der Küche ein Speisezimmer und ein Führerzimmer, im Obergeschosse neun Zimmer mit 22 Betten enthalten soll. Der Dachraum wird sieben Zimmer mit Raum für 20 Lager enthalten. Die Hütte wird von ihrer Eröffnung an jeden Sommer bewirtschaftet sein. Inzwischen wurde bekannt, dass die Hütte „Erzherzog-Karl Franz-Josef-Hütte" genannt werden darf. Im Sommer begannen die Vorarbeiten an der Grund- und Terassenmauer. Der Transport des Bauholzes über den 8 stündigen Aufstiegsweg von Maiern war äußerst mühevoll und kostspielig, zumal das Wetter im Frühjahr 1908 viel zu wünschen übrig ließ.


Hier trat Theodor von Grohmann, nun Edler von Hohenwidim, großmütig ein, indem er ein Dahrlehen über die gesamten Schulden der Sektion gewährte. Er wollte dafür künftig als Erbauer des Karlhauses gelten. Während des ersten Weltkrieges blieb die Hütte geschlossen. Danach wurde sie Eigentum des italienischen Staates, der sich wenig darum kümmerte, nur gelegentlich kontrollierten Militärpatrouillen, und stellten fest, dass die Hütte stark zerstört und ausgeplündert war. 1921 wurde die Hütte dem CAI (Club Alpino Italiano) übertagen, der eine Hüttenkommission bildete, mit dem Ziel die Hütte(n) (es betraf auch andere Hütten) instandzusetzen, was zwischen 1924 und 1926 geschah.

1929 wurde die Betreuung der Sektion Bozen übertragen, die damit auch den Hüttenwirt Bernhard Rainer übernahm, der gleichzeitig das Becherhaus bewirtschaftete. Der Touristenzustrom blieb allerdings bescheiden, da die tiefer gelegenen Hütten Grohmann und Teplitzer von der Finanzwache besetzt war, und außerdem im Grenzgebiet Auflagen verfügt wurden, der einen Touristenausweis vorsah, der in der Quästur in Bozen ausgestellt werden musste, zudem herrschte ein Fotografier- und Zeichenverbot. 1931 übernimmt Franz Lazzari aus Sterzing (er führt auch das Becherhaus) die Führung und bleibt bis 1937. In seiner Betreuungszeit werden ernste Verfallserscheinungen entdeckt, die in der Zeit der Nichtbewirtschaftung entstanden sind durch zerschlagene Fenster und Türen, durch die Schnee in das Innere eindringen konnte.

Die Stützmauer
Die Stützmauer                                   Foto: Th. Most 2016

Das Winrad
Der Windrotor (3kWh)                          Foto: Th. Most 2016

Aber viel schlimmer sind die Statikprobleme, die darauf zurückzuführen sind, dass die Hütte nicht auf einem natürlichen stabilen Untergrund, sondern auf einer im Geröll angelegten Plattform errichtet worden war. Mitte 1933 wurden Risse in der Grundmauer bemerkbar und es stürzten zwei Frontmauern ein. Es konnten nur noch die notwendigsten Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, umfangreiche Erhaltungsmaßnahmen und Mauerbauten mussten im nächsten Jahr angegriffen werden.
1938 übernahm Bernhard Schafer die drei Hütten Grohmann Müller und Becher, wegen des Ausbruches des zweiten Weltkrieges mussten die Hütten wieder geschlossen werden und wurden so wieder dem Verfall und neuerlichen Vandalenakten preisgegeben.
1949 begann man mit Zuschüssen des Zentralausschusses des CAI mit den Reparaturarbeiten. Wie vorhergesehen wurde die Hütte in der stillgelegten Zeit wieder verwüstet, fast alle Möbel, Türstöcke, Fensterläden und sogar Teile der Verkleidung wurden als Brennmatreial verwendet. Um 1950 das Schutzhaus auf Vordermann zu bringen, wurden insgesamt 41 Zentner hinaufgetragen: Fenster- und Türstöcke, Zement, Sand, Brennholz und Lebensmittel.
Am 16. August 1950 wurde die Müllerhütte wiedereröffnet. 1953 die Meldung des Inspektors: Das Schutzhaus bewegt sich wieder! Er stellte ein Absacken und einen Einbruch der Trockenmauer, welche die Plattform des Schutzhauses trägt, auf einer Länge von sieben Metern fest.

Der Grund für die Instabilität war immer das Schmelzwasser, das sich notgedrungen den Weg durch die Schotterung suchen musste. Wieder war das Schuzhaus, wie schon 1933 , einsturzgefährdet. Die Stützmauer musste neu errichtet werden und das Erdgeschoß abgestützt. Die Arbeiten dauerten zwei Jahre. Einige Jahre vergingen mit kleineren Erhaltungsmaßnahmen, bis 1964 erneut umfangreiche Maßnahmen geplant wurden, die jedoch durch die Anschläge in Südtirol unterbrochen wurden. Die Hütte wurde beschlagnahmt und konnte erst 1973 wieder eröffnet werden. Nun wurden die notwendigen Transporte mit dem Hubschrauber durchgeführt. Größere Arbeiten waren: alle Fenster und Türen austauschen, eine zusätzliche Strebemauer errichten und die Fundamentmauer verstärken.

Nachdem man immer mehr nur reagierte auf die aufgetretenen Mängel, entschloss sich die Sektion 1992 einen völligen Neubau in Angriff zu nehmen. Die Provinz finanzierte im Rahmen eines Pilotprojektes großzügig Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie. So wurde ein Windrotor mit einer Leistung von 3 kWh errichtet, die veralteten Solarzellen wurden ersetzt, eine kombinierte Warmwassererzeugung mit Sonnenenergie wurde installiert.

Sehr groß war wiederum der ehrenamtliche Beitrag, um alle Arbeiten durchzuführen. Umso größer war die Enttäuschung der S. Bozen, dass im Jahre 2010 die Hütte in den Besitz der autonomen Provinz Bozen übergegangen ist (dies betrifft auch weitere 24 vom Staat enteignete Schutzhütten). Die Sektion hatte gehofft, die Hütte als Eigentum übertragen zu bekommen, nachdem sie 90 Jahre alle ihre finziellen Mittel und ihr persönliches Engagement eingesetzt hat um die Hütte zu erhalten.
Seit 2015 verwaltet das Land Südtirol die Hütten, die S. Bozen betreut die Müllerhütte nach wie vor (Stand 2016).





Hüttenschild Foto: Th. Most 2014


Mein Dank geht an den Bergführer
Michael Tschöll aus Windegg in
Passeier, der mich behutsam zur
Müllerhütte und zurück geführt hat.

Außerdem hat er mir bei der Ge-
staltung dieser Seite mit einigen
Bildern ausgeholfen.





Als Grundlage für die Texte dienten mir
die Mitteilungen des DuÖAV 1891 bis
1914 und die Geschichte einer hundert-
jährigen Hütte der Sektion Bozen.
2016 Th. Most

Die bedauernswerte Hütte bekam viele Namen.
Ich habe keine Erläuterung über diese Vielfalt gefunden.
Hier ein Versuch:
 
Müller Hütte
nach dem Erbauer

Erzherzog-Karl-Franz-Josef-Schutzhaus
wurde verliehen vom 1887 geborenen
Erzherzog Carl Franz Joseph

Die Hütte hatte Glück mit dem kurzen Namen, sie hätte auch
Erzherzog Carl Franz Joseph Ludwig Hubert Georg Otto
Maria Hütte
heißen können.

Kaiser-Karl-Schutzhaus
Folgerichtig wechselte nach der Krönung 1916
Erzherzog zu Kaiser

Karl-Haus
Ist wohl nur eine praktischerweise verkürzte Form.

Pfaffenniederhütte
War der Drang der Umbenennung
nach dem Fall der Monarchie 1918

Rifugio Cima Libera
Nach dem 1. Weltkrieg musste alles italienisch werden

Müllerhütte
Haben sich hier die Südtiroler durchgesetzt,
den Namen der Urhütte zu verwenden? 



(2016 Aufstieg mit Michael Tschöll aus dem
Passeiertal, Timmelsbrücke: 10,2 km 1350 hm)
 
 

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