Sudetendeutsche Hütten

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Payerhütte 3029 m



 Bereits bei der ersten Generalversmmlung des D.A.V. 1870 in München wurde ein außergewöhnliches Hochgebirgsprojekt angeregt, eine Unterkunftshütte zur Erleichterung der Besteigung des Ortlers (3905 m) auf der Scharte des oberen Tabarettakammes (3029m) zu erbauen. Johann Stüdl - Sektion Prag – erstellte den Bauplan und legte den Bauplatz fest, Baumeister Georg Pichler aus Gomagoi begann im Mai 1875 unter ungünstigen Bedingungen bei Kälte, Regen und Schnee die kleine Hütte mit zwei Räumen für bis zu 30 Personen zu erstellen.
Die Maße im Inneren betrugen 18' in der Länge und 13' in der Breite, das nach Norden abfallende Pultdach hatte 16' bis 9 1/2'
Payerhütte ca 1890 Payerhütte, ca 1890, mit dem 1876 angebauten Vorhäuschen
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Die Finanzierung durch die S. Prag wurde mit Spenden der S. Schwaben, München und des Ö. Touristenclubs unterstützt.  Die dreitägige Einweihung von 5. bis 7. September 1875 war ein Fest für die Bewohner der Ortlergruppe. Besonderes Lob erhielt der Baumeister Georg Pichler, der gemeinsam mit seinen Söhnen das gesamte Baumaterial den steilen Anstieg durch loses Geröll transportierte und außerdem umfangreiche, mühsame Sprengungen durchführen musste, um die Hütte nach Plan am äussersten Felskamm aufzubauen.
In den Mitteilungen des DuÖAV wird festgehalten: „Der untere Raum ist äusserst behaglich und warm, mit Doppelfenstern und Doppelthüren versehen, auch besitzt er in die Wand eingelassene, mit Holz vertäfelte Nischen zum Ablegen von Kleidern. Ein schöner eiserner Sparherd, weiche Rosshaarmatratzen, gute Kopfpolster, saubere Linnen, feine warme Decken und eine bis in das Unglaubliche gehende sorgfältige Einrichtung erhöhen die Behaglichkeit dieses Asyls.“
Bereits im folgenden Jahr wird wieder gebaut, ein hölzernes Vorhäuschen als Vorratskammer für das Brennholz. 1877 wird die Hütte trockener gemacht durch Absprengung der einen und Vertäfelung der anderen Wand. 152 Besucher kamen in diesem Jahr auf die Hütte.

Payerhütte Modell 1875 Modell 1:50 von M. Haringer (Göflan) Ansicht 1875
weitere Modellansichten hier >>>

In den kommenden Jahren werden die Wege von Sulden aus weiter verbessert und verbreitert, dass man bis unter die Tabarettawände auf Reitpferden zurücklegen kann. Die Besucherzahl steigt und 1885 sieht man sich gezwungen, die Hütte um das Doppelte zu vergrößern, indem ein Stockwerk auf den alten Teil der Hütte aufgesetzt und zusätzlich erweitert bzw. angebaut wird.
Ab 1887 wird die Hütte bewirtschaftet, der Hotelbesitzer Franz Angerer aus Sulden – bekannt durch seine gute Küche - übernimmt diese schwierige Aufgabe in der über 3000 m hoch gelegenen Hütte.
Am 4. August 1894 wird ein weiterer Ausbau der Hütte beendet. In den Mitteilungen des DuÖAV heißt es: „Dieselbe wurde ebenerdig um ein, grosses Speisezimmer, im 1. Stock um einen, grossen Schlafraum mit 3 Pritschen vergrössert und im Dachbodenraum des Zubaues mit 2 Damenzimmern mit 2 und 5 Betten ausgestattet."
Die Hütte wurde mit neuem soliden Inventar versehen und wurde insbesondere auf die Schlafutensilien grösste Sorgfalt verwendet. Die Einzeln- Betten sind sogar mit Federbetten ausgestattet. Die Bewirthschaftung hat Herr Alois Wallnöfer aus Prad übernommen und führt dieselbe nach eingelaufenen Berichten musterhaft.“
Trotz des überaus schlechten Wetters im Sommer 1896 besuchten 676 Touristen die Payerhütte. Am 26. August 1902 stiegen 108 Personen auf den Gipfel des Ortlers.
1902„wurde auf Veranlassung der k. k. Postdirektion in Innsbruck eine Postablage errichtet, sodaß die Besucher während der Reisezeit daselbst Briefschaften aufgeben und auch empfangen können.“

Payerhütte 1885 Der Zubau ist fertig, man erkennt noch die bisherige Fassade
Foto in der Hütte


1905 übernimmt Fräulein Anna Rath aus W. Matrei die Bewirtschaftung.
1906 wird geplant, den Trafoier Saumweg längs des Tabarettakamms so auszubauen, dass man von Trafoi aus die Payerhütte mit Reittieren erreichen kann.
Der Andrang der Besucher war so stark: „Auf Ansuchen der Sektion wurde, um Unglücksfälle zu vermeiden, der Automobilverkehr auf der Suldenstraße, und zwar auf der Strecke Gomagoi—Sulden behördlich untersagt.“
1906 wird der Zubau eines großen Schlafhauses beschlossen.
1908/09 wird das Schlafhaus mit drei Stockwerken errichtet, es erhält 21 Zimmer mit 48 Betten, Lager, einen Frühstückssaal, Führer- und Gesindezimmer und Vorratskammer. Die S. Schwerin in Mecklenburg stiftet die innere Einrichtung von zwei dreibettigen Zimmern.
1908 schreiben die Mitteilungen des DuÖAV: „Zunächst wurde ein Anbau an die alte Hütte errichtet, welcher während des Baus des Schlafhauses als Unterkunft für die Arbeiter dienen und nach Fertigstellung eine ansehnliche Vergrößerung des Speisezimmers der alten Hütte ermöglichen wird.“
Am 1. August 1909 erhält die Hütte eine Telefonverbindung zur Zentrale in Sulden.
Am 20. August 1909 wird das neue Schlafhaus eröffnet, gefeiert wird aber bereits am 18. August mit einem Kaiser- Festessen anlässlich des Geburtstagsfestes Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef1.
1912 wurde der Anstieg von Sulden weiter verbessert, die steinschlaggefährdete Tabarettawand wurde umgangen, sodass ohne große Mühen lohnende Tagesausflüge unternommen werden können.

Payerhütte Lohner Bergsteiger und Bergführer bei der Payerhütte (1891)


Payerhütte SchlafhausNach Fertigstellung des Schlafhauses:
Ausschnitt aus einer Ansichtskarte um 1912
Gesamtansicht >>>
Im Zuge des 1. Weltkrieges konfiszierte das Oberkommando Wien der ehemaligen Österreichischen Armee den alten Hüttenkomplex für das Kommando Abschnitt Sulden-Ortler und den 1909 neu errichteten Teil als Truppenunterkunft. Zur besseren Versorgung der Truppe und zum Transport schweren Kriegsgerätes für die höchstgelegene Stellung dieses Krieges am Gipfelplateau wurde 1916 von Sulden herauf zur Hütte eine Materialseilbahn errichtet. Eine weitere kleine Materialseilbahn führte bis knapp unter den Gipfel. 1919 ist in den Mitteilungen des DuÖAV zu lesen, dass die Payerhütte ausgeraubt wurde. „Die Payer-Hütte hatte bis zum Ende des unseligen Krieges starke militärische Besatzung, wodurch die Einrichtung ohnehin schon sehr gelitten hatte.
Bei Abgang des plötzlich abberufenen Militärs wurden, wie der S. Prag durch den führenden Offizier berichtet wurde, sämtliche, benutzten Räumlichkeiten in Ordnung gebracht, die Eingänge und die Türen im Innern versperrt und die Schlüssel in Mals abgegeben“.
Die S. Prag erhielt „erst lange nachher die Nachricht über die Ausraubung und Verwüstung der Hüttenräume...... Was aber als das bedauerlichste erscheint, ist die Angabe, daß Einheimische eingebrochen und alles, was sich tragen ließ, weggeschleppt und außerdem die Einrichtung sehr beschädigt haben sollen.. Es sind sämtliche Betten, Decken, Polster, Matratzen, Wäsche, Geschirr, sogar alle Eßbestecke geraubt, Schlösser beschädigt, Türen eingebrochen, Fenster eingeschlagen und verschiedener Schaden angerichtet worden, sodaß die Hütte gänzlich unbewohnbar wurde.
 

Nach dem Krieg wurde die Hütte vom italienischen Staat enteignet und der Sektion Mailand des CAI übertragen. Während des 2. Weltkrieges gab es zwei Jahre keine Bewirtschaftung. 1947 brannte der mittlere Teil ab, wurde aber von der S. Mailand umgehend wiederaufgebaut. Wegen des Gletscherschwundes wurde 1949 ein Wasserreservoir errichtet. Zur besseren Versorgung kam 1965 ein Hubschrauberlandeplatz hinzu. 2011 ging die Hütte zusammen mit 24 weiteren vom Staat entgeigneten Hütten in das Eigentum der Autonomen Provinz Bozen - Südtirol über.

Hier ein paar Bilder von meinem Besuch der Payerhütte Juli 2013

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Payerhütte Schild
Marmortafel an der Außenwand der Hütte

(Info: Sulden - Payerhütte 1170 hm)

Für die Bearbeitung des Textes wurden einzelne Ausgaben der Mitteilungen des DuÖAV 1875 bis 1919 verwendet.
Vielen Dank Herrn Manfred Haringer in Göflan, der mir seine Hüttenmodelle für Fotos zur Verfügung stellte.


Der Namengeber der Hütte: Julius Johannes Ludovicus Payer, seit 1876 Ritter von Payer (* 2. September 1841 in Teplitz-Schönau, Böhmen; † 29. August 1915 in Veldes (heute Bled, Slowenien)), war ein österreichisch-ungarischer Offizier, Polar- und Alpenforscher, Kartograf und Professor der Militärakademie, der sich auch als Maler einen Namen machte. Dreißig Erstbesteigungen in der Ortler-, Adamello- und Glocknergruppe werden ihm zugeschrieben.

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